In Nohra arbeiten Vogelsang und Biocraft Nohra mit Partnern aus der Industrie und Forschung am Projekt FlexPump – einem Mischkonzept für den flexibilisierten, effizienzoptimierten und Multi-Feedstock-fähigen Betrieb von Biogasanlagen. Mit Erfolg.
Wertloses erfolgreich vermarkten. Umgangssprachlich sagt man auch gerne derb: „aus Sch... Geld machen“. In Grammetal nimmt man es wörtlich, und zwar erfolgreich: Dort werden tierische Exkremente in der Biogasanlage der Biocraft Nohra wirtschaftlich in Energie verwandelt. Dabei war der Auslöser für die Umstellung des Betriebskonzeptes eher unerfreulich: Der benachbarte Industriebetrieb, der die gesamte Wärme der Anlage nutzte, schloss die Pforten. Man musste sich etwas Neues einfallen lassen. Das ist beeindruckend gelungen und nebenbei wurde noch ein Mehrwert für die Umwelt und regionale Agrarbetriebe geschaffen.
Die Biogasanlage der Biocraft Nohra wirkt von außen auf den ersten Blick wie eine ganz gewöhnliche, wenn auch große Anlage. Die in dem gleichnamigen kleinen Ortsteil der Gemeinde Grammetal nahe Weimar gelegene Anlage ist jedoch in vielerlei Hinsicht anders. Die Betreiber und Eigentümer sind selber keine Landwirte, legen aber großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit der regionalen Agrarwirtschaft. Gleichzeitig ist man offen für Neues sowie bestrebt, die Anlage weiterzuentwickeln. So wundert es auch nicht, dass die Anlage der Praxispartner des Forschungsprojektes FlexPump ist. Im Rahmen des Projektes arbeitet Vogelsang mit dem Fraunhofer IKTS sowie mit der A&U Service- und Vertriebs GmbH zusammen an einem neuartigen Mischkonzept für den flexiblen und multifeedstockfähigen Betrieb von Biogasanlagen bei gesteigerter Wirtschaftlichkeit. Alles begann 2010, als die Anlage von Plan ET als klassische Nawaro-Anlage mit 1,5 MW errichtet wurde. Die Gärstrecke bestand aus einem Fermenter, einem Nachgärer und einem Endlager mit einer Kapazität von jeweils 4.000 Kubikmeter. Für die Fermenterbeschickung wurde ein Schubboden mit einem Feststoffschneckensystem installiert. Wie zu der Zeit üblich, bestand der Substratmix zu 85 Prozent aus Silagen, davon allein 60 Prozent aus Maissilage. Die restlichen 15 Prozent waren Mist. Ein Mix, der mit der trockenen Feststoffdosierung zufriedenstellend zugeführt werden konnte.bem
Alle Substrate, Gülle, Mist wie Silagen, kamen von regionalen Betrieben, die im Gegenzug die Gärreste als optimierten Wirtschaftsdünger wieder zurücknahmen. Die Verstromung erfolgte in einem MWM BHKW, dessen Abwärme in einem benachbarten Schlachthof genutzt wurde. So konnten zusätzliche Einnahmen generiert werden. Als der Schlachthof, der bis dahin die gesamte Wärme genutzt hatte, geschlossen wurde, brach dieses Standbein weg und Betreiber Andreas Kellner überlegte, wie die Wärme der Anlage sinnvoll genutzt werden könnte. Wie fast alle Betreiber sah er sich ohnehin mit verschärften Auflagen und Richtlinien und den daraus resultierenden Kosten konfrontiert, die ihn zwangen, die Effizienz der Anlage zu steigern, um die Zusatzbelastung abzufangen. Vor diesem Hintergrund kam ihm der Gedanke an eine Gärrestaufbereitung. Diese sollte jedoch nicht nur die Gärreste entwässern. Vielmehr dachte er an eine Lösung, die die Anlage insgesamt zukunftssicher aufstellen sollte. Mais und Gülle sollten durch Mist ersetzt werden und dabei sollte gleichzeitig die Effizienz gesteigert werden.
A&U Service- und Vertriebs GmbH (rechts)
Auf seiner Suche nach einem geeigneten Technikpartner stieß er 2018 auf Bernd Schmitz von der A&U Service- und Vertriebs GmbH. Schnell wurde klar, dass die Ansätze von A&U genau zu Andreas Kellners Vorstellungen passten. Gemeinsam wurde das Konzept der Anlage grundlegend überarbeitet und an mehreren Stellen modifiziert. Bereits 2019 folgten die ersten Umbau-Maßnahmen. Schon von Beginn an wurde klar, dass das neue Konzept der Biocraft Nohra anders ist. Statt wie die meisten anderen Anlagen zusätzlichen Lagerraum für Gärreste zu errichten, um neue, höhere Anforderungen der Düngemittelverordnung zu erfüllen, wurde das Endlager zu einem Nachgärer aufgerüstet und so mehr Gärraum geschaffen. Die Verweilzeit wurde auf 150 Tage gesteigert. Ferner wurde ein neues, kleines Endlager mit einer Kapazität von lediglich 1.000 Kubikmetern errichtet. Mehr bedurfte es aufgrund der ebenfalls errichteten Gärrestaufbereitung nicht.
Zunächst werden die Gärreste separiert. Die dabei gewonnene feste Fraktion ist deutlich transportwürdiger, es bedarf erheblich weniger Fahrten, um sie mittels Miststreuer auf den Feldern als Dünger zu verteilen. Die bei der Separation anfallende flüssige Fraktion wird zum Teil zurück in den Fermenter geführt und reduziert dort die Viskosität der Biosuspension. Ein weiterer Teil wird mittels der Abwärme eingedampft und dabei weiter gereinigt. Es entsteht eine Ammoniumsulfat-Lösung (ASL), die in weiter entfernt liegenden Ackerbauregionen als Mineraldünger genutzt wird. Gleichzeitig werden so täglich rund 20 Kubikmeter Wasser aus dem Kreislauf ausgeschleust. Außerdem wurde ein zusätzliches baugleiches MWM BHKW in Betrieb genommen, um flexibel bis zu 3 MWh Strom zu produzieren und gleichzeitig die Bemessungsleistung von 13.000 MWh pro Jahr voll auszuschöpfen und weitere Erlöse zu generieren.
Weitere Anpassungen folgten beim Substratmix und der Einbringtechnik. Der Plan sah vor, Silage und insbesondere Maissilage durch Hähnchen-, Puten- und vor allem Rindermist von regionalen Betrieben zu ersetzen. Für die Anlage ergaben sich daraus mehrere Vorteile: Zum einen ein finanzieller Vorteil, denn die Anlage wird anhand des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2012 (EEG 2012) vergütet. Es ordnet Mist der Stoffklasse II zu, für die eine um 2 Cent höhere Vergütung pro kWh Strom gewährt wird. Zum anderen reduziert sich das Volumen der zugeführten Substrate bzw. der abzugebenden Gärreste, wodurch insgesamt weniger Behältervolumen und Transporte erforderlich sind. Und auch für die Geschäftspartner aus der Landwirtschaft und die Umwelt bietet das neue Konzept Vorteile. Da der Mist erst in der Biogasanlage vergoren wird und nicht mehr direkt auf den Feldern ausgebracht wird, verringern sich die Methan-Emissionen deutlich. Gleichzeitig werden Chimären und Unkräuter im Prozess weitestgehend abgetötet und es wird so die Notwendigkeit von Pflanzenschutzmaßnahmen reduziert. Die Analyse der Anlage zeigte jedoch auch, dass die Viskosität im Fermenter bereits grenzwertig war. Eine sichere Durchmischung war nicht gewährleistet. Es gab Probleme mit den Rührwerken bis hin zum Bruch eines Flügels. Ferner näherte sich das Feststoffdosiersystem dem Ende seiner technischen Lebensdauer. Es war klar, dass ohne Anpassungen bei der Fermenterbeschickung ein Umstieg auf Mist als Hauptinputstoff nicht möglich war.
Einer glücklichen Fügung ist es zu verdanken, dass Biocraft Nohra und Vogelsang Partner eines Projektes namens FlexPump wurden. Bernd Schmitz von A&U saß mit Mitarbeitern des Fraunhofer IKTS Dresden im Rahmen eines anderen Projektes zusammen, als diese zufällig über das geplante Projekt sprachen. Dieses beinhaltet die Konzipierung eines multifeedstockfähigen Betriebes von Biogasanlagen zur flexiblen Biogaserzeugung und die Entwicklung eines Systems zur hydraulischen Durchmischung von Biogasanlagen. Notwendig für das Projekt: eine geeignete Biogasanlage, bei der unter realen Praxisbedingungen überprüft und optimiert werden kann, und ein Partner aus der Industrie. Bernd Schmitz dachte sofort an die Anlage Biocraft Nohra. Sie passte ideal zum Projekt, zumal beim Einsatz schwieriger Inputstoffe wie Rindermist Veränderungen viel schneller erkennbar sind. Und auch auf technischer Seite war er überzeugt, dass es einer leistungsstarken Flüssigfütterung bedurfte. Bei Vogelsang und Biocraft Nohra stießen die Forscher auf offene Türen. Und so führte dieser Austausch unter Experten dazu, dass beide Partner des Projektes zur Entwicklung und Demonstration eines pumpenbasierten Mischkonzeptes für den flexiblen, effizienzoptimierten und multifeedstockfähigen Betrieb von Biogasanlagen wurden. In Nohra wurden deshalb ein Schubboden als Vorratsbunker und ein PreMix für das bakteriengerechte Anmaischen installiert. Die flüssige Phase wird mittels einer Exzenterschneckenpume der CC-Serie im unteren Bereich des Fermenters abgesaugt und vom PreMix mit dem Mist zu einer homogenen Suspension vermischt. Wichtiges Detail hierbei: Schwergut wie Steine und Metallteile werden noch vor der Pumpeneinheit des PreMix abgeschieden, ferner langfaserige Bestandteile im Mist zerkleinert und Mistklumpen aufgelöst. Analysen belegen eine deutliche Reduzierung der mittleren Länge der Fasern in der Suspension. Diese so gut aufbereitete, homogene Suspension wird dann im oberen Bereich in den Fermenter gepumpt.
Als ergänzende Maßnahme wird der Fermenterinhalt mittels mechanischer Desintegration zusätzlich aufbereitet. Dafür wurde der DisRuptor im Bypass parallel zur Flüssigfütterung installiert. Die Suspension wird also auch hier bodennah entnommen. In den engen Spalten der Funktionseinheit werden dann faserige Bestandteile wie Stroh zermahlen und zerfasert und die widerstandsfähigen Strukturen beschädigt.
Auf mikroskopischen Aufnahmen lässt sich der Effekt der mechanischen Desintegration deutlich erkennen. Ehemals glatte Oberflächen gleichen nach der Aufbereitung einer Hochgebirgslandschaft, durchzogen von Schluchten und Kratern. Anschließend wird die so aufbereitete Suspension ebenfalls im oberen Bereich zurück in den Fermenter geleitet, wo die fermentierenden Bakterien von der vergrößerten Angriffsfläche und dem erleichterten Zugang zu den Nährstoffen profitieren. Als Nebeneffekt reduzieren beide Maßnahmen die Viskosität der Suspension, und das macht sich deutlich bemerkbar.
Seit der Inbetriebnahme der PreMix Flüssigfütterung sowie der mechanischen Desintegration mit dem Dis- Ruptor wurde der Mistanteil von 15 auf 70 Prozent gesteigert. Als logische Konsequenz des erhöhten Mistanteils bzw. der reduzierten Zufuhr von Gülle und Maissilage stieg der TS-Gehalt im Fermenter von Mai 2019 bis Juni 2020 um über 2 auf 14,3 Prozent an, obwohl das Zentrifugat aus der Separation teilweise zurückgeführt wird. In der Literatur wird eine solche Suspension gerne als nicht mehr pumpfähig bezeichnet. In Nohra sank die Viskosität im gleichen Zeitraum kontinuierlich von 17,95 Pa s auf 3,3 Pa s (gemessen bei einer Scherrate von 10 s-1).
Weitere Untersuchungen und Analysen im Rahmen des Projektes bestätigen die ersten Ergebnisse. Simulationen zeigen eine deutlich bessere Durchmischung des Fermenters. Gleichzeitig sank die Stromaufnahme der Rührwerke. Kein Wunder, dass die Beteiligten mit Spannung auf weitere Ergebnisse warten. Doch noch befindet sich die Praxiserprobung in der Optimierungsphase. Andreas Kellner, Biocraft Nohra, ist bereits jetzt zufrieden mit den ersten Ergebnissen. Aber das Ende der Fahnenstange ist auch für ihn noch nicht erreicht. So soll der Mistanteil weiter gesteigert werden. Daneben hat er, gemeinsam mit seinem Partner Bernd Schmitz von A&U, schon weitere Pläne: Stroh soll demnächst Teile der jetzigen Futterration ersetzen. Eines ist beiden klar: Ohne die Vogelsang-Technik zur Aufbereitung der Substrate bzw. Biosuspension wäre selbst das bis jetzt Erreichte undenkbar gewesen.
Der weitere Ausbau des regenerativ bedienten Stromsystems erfordert einen wirtschaftlichen und optimierten flexiblen Betrieb der bestehenden und neu zu errichtenden Biogasanlagen. Unter Beachtung der gegebenen Vorzüge wie Verlässlichkeit, Regelbarkeit und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind effiziente Konzepte und Technologien zu entwickeln, die langfristig einen nachhaltig rentablen Betrieb unabhängig von staatlicher Förderung gewährleisten. Ein immenses Potenzial liegt hierbei in der Optimierung der Durchmischung der Gärsubstrate, verbunden mit einer effizienten und gezielten Technik zur Substrateinbringung und -vorbehandlung. Im Rahmen des Verbundvorhabens wird ein Gesamtsystem zur hydraulischen Durchmischung von Biogasreaktoren entwickelt und unter Praxisbedingungen im Pilotmaßstab überprüft und optimiert. Jeder Projektpartner
übernimmt einen speziellen Aufgabenbereich. Das IKTS entwickelt ein Verfahrenskonzept und bewertet den Mischprozess mittels Prozess-Tomographie und numerischer Strömungssimulation. Die Anpassung und Optimierung des Pumpsystems sowie von dessen Prozessparametern erfolgen durch Vogelsang. Zudem wird ein Konzept zur Regelung des Gesamtprozesses erarbeitet. A&U zeichnet sich verantwortlich für die Einbindung des pumpenbasierten Mischsystems in die Biogasanlage Nohra inklusive der Bewertung des Mischsystems unter Praxisbedingungen.
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