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Pump power to go

Kläranlage Wildeshausen: unkonventionell, aber einfach praktisch. Beckenentleerung mit dem Schlepper und Vogelsang-Pumpen.

Wildeshausen: Die Kreisstadt im Landkreis Oldenburg liegt direkt an der Hunte in einer von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern geprägten Region. Die nächste Großstadt ist nicht weit entfernt und doch – oder gerade aufgrund der Lage – nimmt die Einwohnerzahl stetig zu. Dieser kontinuierliche Zuwachs und die ständig steigenden Vorgaben für die Abwasserreinigung erfordern es, die von der Stadt selbst betriebene Kläranlage kontinuierlich weiterzuentwickeln.

 

Einfache Entleerung des Beckens als oberstes Ziel

Eine Aufgabe, der sich der zuständige Abwasssermeister Matthias Schnieder und seine Mannschaft gerne stellen. Die Einwohner freut es, konnten doch die Gebühren für das überwiegend häusliche und gewerbliche Abwasser in den letzten 25 Jahren sehr stabil gehalten bzw. tendenziell eher gesenkt werden. Das Geheimnis dahinter ist ganz einfach: Durch Investitionen gespartes Geld wird zum Großteil wieder investiert. Und das zahlt sich langfristig für die Einwohner aus. Eine dieser Investitionen ist der Umbau der sogenannten biologischen Reinigung, in der dem Abwasser Phosphor und Stickstoff entzogen wird. Der Ablauf der dafür notwendigen Prozesse wird durch die Zugabe von Kalkmilch unterstützt und gesteuert. Außerdem wird der Schlamm abwechselnd anaeroben und aeroben Verhältnissen (mit und ohne Sauerstoff) ausgesetzt.

Matthias Schnieder, Abwassermeister der Kläranlage WildeshausenMatthias Schnieder, Abwassermeister der Kläranlage Wildeshausen

 

Umbau der sogenannten biologischen Reinigung

WWTP-2Die Stickstoffelimination erfolgt dabei in zwei Stufen. Der im Abwasser überwiegend in Form von Ammoniumstickstoff enthaltene Stickstoff wird durch die im Belebtschlamm enthaltenen Mikroorganismen  in Nitrat umgewandelt. Für diese Nitrifikation benötigen die Mikroorganismen viel Sauerstoff, der mittels
einer Belüftung in den Schlamm eingetragen wird.
Im Zuge der dann folgenden Denitrifikation wird dem Nitrat durch andere Mikroorganismen der Sauerstoff entzogen. Übrig bleibt Stickstoff, der teilweise als Gas in die Atmosphäre abgegeben oder von den Mikroorganismen aufgenommen und so dem Abwasser entzogen wird. Für diesen Prozessschritt bedarf es anaerober Bedingungen, weshalb sich hierbei ein zusätzlicher Eintrag von Sauerstoff mittels der Belüftung negativ auswirkt.
In der Praxis wird daher der Eintrag von Luftsauerstoff immer wieder von Pausen unterbrochen, um die anaerobe Denitrifikation zu ermöglichen.

 

 

Sanierung und Modernisierung der Belebung ab 2019

1993 wurde die Belebung der Kläranlage Wildeshausen, in der genau diese Prozesse ablaufen, erweitert. Wie zu dieser Zeit oft üblich wurden zwei neue Belüftungsbecken mit Intervallbelüftung gebaut, die beide parallel betrieben wurden. 2019 nahm man die Ertüchtigung dieses Teils der Kläranlage in Angriff. In einem ersten Schritt wurden neue Turboverdichter installiert, die circa 7,5 kW weniger Leistung, verglichen zur alten Technik, aufnehmen, um die benötigte Druckluft zu erzeugen. Und da die Verdichter für die Belüftung des Schlamms einen Großteil des Energieverbrauchs einer Kläranlage ausmachen, bedeuten schon kleine Verbesserungen eine erhebliche Kostenreduzierung.

Außerdem wurde das erste Belebungsbecken saniert und mit neuen Belüfterkerzen ausgestattet. Und dann nutzte die umtriebige Mannschaft rund um Abwassermeister Schnieder die Gelegenheit, um diesen Teil des Reinigungsprozesses zu optimieren. Statt die beiden Becken weiter parallel zu betreiben und die Belüftung immer wieder abzuschalten, um damit die Voraussetzungen für die Denitrifikation zu schaffen, sollten nun beide Prozessschritte in räumlich getrennten Bereichen ablaufen, um so einen insgesamt besseren Abbau der organischen Frachten zu erreichen.

In nur zweieinhalb Stunden wurden 1.500 m³ Schlamm von einem ins andere Becken gepumpt.

In nur zweieinhalb Stunden wurden 1.500 m³ Schlamm von einem ins andere Becken gepumpt.

 

Das zuvor in der mechanischen Reinigung vorgereinigte Abwasser wird nun im ersten Becken mit Belebtschlamm gemischt, aber nicht mehr belüftet. Der Fachmann spricht von einer vorgelagerten Denitrifikation, bei der im Belebtschlamm-Abwasser-Gemisch enthaltenes Nitrat eliminiert wird. Gleichzeitig fließt über eine 600 mm große Rohrleitung aus diesem Becken das Gemisch im Freigefälle in das zweite Becken, in dem nun mittels der 2019 neu installierten Belüftungstechnik das Gemisch effizient und energiesparend belüftet wird. Unter diesen Bedingungen erfolgt im zweiten Becken die sogenannte Nitrifikation, d.h., Mikroorganismen wandeln Stickstoff in Nitrat um.
Über zwei im Zuge der Sanierung der Becken neu gebaute Verbindungsleitungen zwischen den beiden Becken wird dann das mit Nitrat belastete Gemisch mittels zweier hocheffizienter Propellerpumpen, mit bis zu 500 m³/h Förderleistung je Pumpe, zurück in das erste Becken gefördert, in dem – wie zuvor beschrieben – dank der optimalen Bedingungen
im Zuge der Denitrifikation dem Gemisch das Nitrat entzogen wird.

 

 

 

 

Umstellung der Verfahrenstechnik

Im August 2020 war es dann so weit. Die biologische Reinigung sollte auf das neue Prozessprinzip umgestellt werden. Dazu mussten aber noch ein paar Installationen an den Rezirkulationsleitungen zwischen der Nitrifikation und der Denitrifikation vorgenommen werden, die es erforderlich machten, das
Niveau in den Becken und den Verbindungsleitungen so weit zu reduzieren, dass sie zumindest im oberen Bereich trocken fielen.

Klassischerweise hätte dies bedeutet, eine oder zwei große Tauchmotorpumpen zu organisieren. Ein Elektriker hätte temporär ein Kabel vom nächsten geeigneten Anschlusspunkt legen und die Pumpe anschließen müssen, die ein eigens georderter Kranwagen ins Becken hinein- bzw. am Ende wieder herausheben müsste.

 

Mittels zweier auf einem Dreipunktbock montierten Standard-Pumpen mit Zapfwellenantrieb und einem Schlepper wurde der Schlamm umgepumpt.WWTP-5

Mittels zweier auf einem Dreipunktbock montierten Standard-Pumpen mit Zapfwellenantrieb und einem Schlepper wurde der Schlamm umgepumpt.

 

Die Wildeshauser fanden dafür einen etwas einfacheren und unkomplizierteren Weg, bei dem sie sich
die ländliche Prägung ihrer Region zu Nutze machten. Vom örtlichen Landmaschinenhändler liehen sie sich einen leistungsstarken Schlepper mit Front- und Heckzapfwelle. Von Vogelsang mieteten sie sich zwei
Standard-Pumpen mit Zapfwellenantrieb, auf einen Dreipunktbock montiert. Das Equipment wurde zwischen den beiden Becken aufgestellt. Mittels zweier Standard-Schläuche wurde der Schlamm aus dem
Becken angesogen und in das andere Becken gefördert. Dabei konnte die Fördermenge der Pumpen über das Standgas des Schleppers individuell angepasst werden. Obwohl der Schlamm zum Schluss aus mehreren Metern Tiefe angesaugt werden musste, war der Job nach zweieinhalb Stunden erledigt. 1.500 m³ Schlamm waren von einem ins andere Becken gepumpt worden. Und das mit einem Aufwand, den alleine schon der Kranwagen verursacht hätte.
Insgesamt hat sich der Aufwand für Schnieder und sein Team gelohnt: Die verfahrenstechnischen Prozesse laufen jetzt noch gleichmäßiger. Die Biologie ist robuster gegenüber Schwankungen, sodass es einfacher ist, die Grenzwerte beim Ablauf einzuhalten. Und laufen Prozesse gleichmäßig, ohne dass großartige Regeleingriffe erforderlich sind, senkt das auch immer die Betriebskosten.

 

 

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